Nicht alle Ihre Patenkinder leben in einem Kinderheim. Wir können und wollen keine funktionierenden Familien auseinanderreißen. Also betreut unser jeweils zuständiges Heim diese Kinder und Familien dort wo sie wohnen. Oftmals ist dann von einer „Favela“ oder einem „Sítio“ die Rede.
Eine „Favela“ ist ein Slum Gebiet in einer Großstadt, nicht selten von Drogenbanden mit Waffengewalt beherrscht. Wir nehmen schon seit einigen Jahren keine neuen Patenkinder in einer Favela mehr auf und schließen unsere Heime 103, 109 und 110 im Großraum Recife/Olinda sobald die Patenschaften beendet sind, denn in einer Favela zu helfen hat sich leider als selten erfolgreich erwiesen.
Hier möchten wir stattdessen einmal genau das Gegenteil zeigen: Ein „Sítio“ und was man sich darunter vorstellen kann.
Ein Sítio liegt oftmals weit entfernt von der nächsten Stadt oder dem nächsten größeren Dorf. Um dorthin zu kommen, muss man nicht selten 2-3 Stunden zu Fuß über Stock und Stein laufen. Warentransport funktioniert oftmals nur „auf dem Kopf“ oder per Esel/Pferd.
Am Rande noch die Information, warum die Erde so rötlich aussieht, während bei uns die Erde doch eher dunkelbraun ist: Das liegt am hohen Eisengehalt. Typisch für den gesamten Nordosten von Brasilien und das entsprechende „Gegenstück“ in der Mitte von Afrika, wo sich die Kontinente einmal getrennt hatten. Aber leider bedeutet das nicht, dass man dort „Eisenerz“ oder ähnliches gewinnen könnte.
Unsere Mitarbeiterinnen in dieser Region haben zwar ein Motorrad zur Verfügung, aber manchmal ist es auch damit nicht möglich weiter zu kommen.
Falls Sie sich wundern, warum beide denn bei der Hitze von weit über 30° mit langen Ärmeln unterwegs sind: Das ist ein Sonnenschutz da diese starke Sonne in der Nähe des Äquators sonst kaum auszuhalten ist. Wir hatten in der Tat vor einigen Jahren zunächst kurzärmlige Shirts nähen lassen, aber da kam dann schnell der Wunsch nach einer langärmligen „Farda“…
Endlich angekommen werden dann neue Fotos der Patenkinder gemacht. Nicht immer ist die Anstrengung so groß, aber an diesem Tag, nach inzwischen 5 Besuchen, war unsere Mitarbeiterin am Ende ihrer Kräfte und musste sich kurz ausruhen…
Ein Sítio liegt oftmals alleine im Nichts. Manchmal gibt es einige wenige andere Häuser in Sichtweite, aber selten so viele, dass man dies ein Dorf nennen könnte. Zum Glück hat man praktisch überall elektrische Energie. Das wurde vor über 25 Jahren als Projekt der Regierung im gesamten Nordosten installiert.
Mit dem Wasser sieht es etwas anders aus. Das muss man sich selbst irgendwoher „besorgen“. Die damalige Regierung hat den Bewohnern in den Sítios je eine Zisterne geschenkt, um Regenwasser aufzufangen. Meist zusammen mit einer Dachrinne. Aber nur 1 Dachrinne für nur eine Seite des Hauses.
Hier sehen Sie einen „Fernsehstar“ an der Zisterne. Dieses Mädchen war in der ARD Serie „Verrückt nach Meer“ zu sehen. Ihre Patin besuchte damals Brasilien und ihr Patenkind im Rahmen der Serie und wurde dabei von einem Filmteam begleitet. Die Folge ist leider online nicht mehr anzusehen.
(Nachtrag 2023-04: Doch, man kann die Folge 389 jetzt wieder online finden!) Sie lebt eigentlich als „internes“ Kind in unserem Heim 127, aber es sind ja gerade Sommerferien und die verbringt sie zu Hause, im Sítio.
Abgesehen vom letzten Jahr, als es nicht aufhören wollte zu regnen, kommt üblicherweise nur im Januar/Februar genug Wasser vom Himmel, um die Zisternen etwas aufzufüllen. In den anderen Monaten versiegen oftmals die Quellen und kleinen Bäche, so dass man sich per Esel/Pferd Wasserflaschen liefern lassen muss. Das kostet natürlich Geld und das hat nicht jeder. Die Qualität von geliefertem Wasser ist auch nicht immer die Beste. Daher müssen einige Familien viele Kilometer zu Fuß laufen um dann an einem öffentlich aufgestellten Wasserbehälter soviel Wasser zu zapfen wie man tragen kann. Und jetzt raten Sie mal, wie dieses Wasser zum Behälter kommt: Per Diesel LKW. Dutzende, Hunderte dieser „Operação PIPA“ LKW sind unterwegs. Wenn man hinter solch einem LKW fährt sieht man oftmals vor schwarzen Abgasen die Straße nicht mehr…
Dieses Wasser dient nicht nur zum Waschen, man trinkt es auch („Água Potável“ – Trinkwasser). Dazu haben die Familien in aller Regel einen Tonfilter mit dem die Schwebstoffe herausgefiltert werden. Trotzdem bleibt das Wasser oftmals ein Paradies für Bakterien. Daher ist es immer ein wenig peinlich für Besucher aus Deutschland vor Ort bei den Familien das grundsätzlich angebotene Wasser abzulehnen… Aber es ist für unsere Körper, die mit diesen Bakterien praktisch nie zu tun hatten, nicht ungefährlich zu trinken.
Mit etwas Glück haben die Familien eine Art „Waschbrett“ aus Beton und können die Wäsche zu Hause waschen. Andere müssen zum nächsten Bach oder Fluß und dort waschen. Natürlich macht sich niemand Gedanken darüber, dass dieses nun verschmutzte Wasser ein paar Meter weiter eventuell als „Trinkwasser“ geholt wird…
Sie sehen schon, das Leben in einem Sítio ist etwas anders als bei uns. Wir können uns ein Leben ohne Waschmaschine kaum vorstellen. Wie schön sind doch die ganzen Dinge, die wir in der Küche zur Verfügung haben, bis hin zum Geschirrspüler. Hier einige Eindrücke, wie man in einem Sítio kocht:
Man kocht also mit Brennholz, welches man sich in der Steppe zusammensucht. Große Bäume ab 3m sucht man vergebens. Höher als 1-2m wächst hier meist nichts. Wer genug Platz im Haus für eine Küche hat, der hat dort eine solche offene Feuerstelle. Man sieht an Wänden und Decke die Rußablagerungen. Die Mutter die hier kocht atmet das in aller Regel genauso ein…
Aber es gibt doch Gasherde, oder? Ja, natürlich. Eher in Städten, aber auch in so manchem Sítio findet man einen Gasherd. Der benötigt natürlich eine „Botijão de Gas“ (Gasflasche). Sie können sich kaum vorstellen, wie teuer diese in den letzten Monaten geworden sind. Das können sich nur die wenigsten leisten. Da muss man schon 2-3 Wochen Arbeit auf dem Feld haben um sich eine solche Gasflasche leisten zu können. Aber wann bekommt man(n) schonmal Arbeit. Welch ein Glück, wenn man einen Paten hat!
Ja aber könnte man nicht mit Solar… Bei soviel Sonne… Ja, eine super „Schreibtischidee“. Hier mal ein passendes Foto dazu, welches der 1. Vorsitzende bei seinem Urlaub in Nepal im Ort Lukla, nahe des Mount Everest aufgenommen hat:
„Bread and Energy for all People of this Earth“ steht darauf geschrieben. „Solar Technical Works“. Schon die holprige Übersetzung zeigt, was die Webadresse darunter bestätigt: Eine Idee aus Deutschland. Konzipiert von Leuten, die in einer anderen Realität leben…
Sie sehen schon: So richtig angenommen wird diese Idee nicht. Sobald die „Wohltäter“ wieder weg waren lag das ungenutzt rum. Es entspricht nicht wirklich der Mentalität Jahrhunderte alte Gewohnheiten mit solchen „neumodischen“ Zeug zu ändern. Man bleibt bei dem, was man kennt.
Anderes Thema: Das Bad
Und wenn Sie nun sehen, wie man sich wäscht, dann können Sie sich in etwa eine Toilette vorstellen, sofern es denn eine gibt…An Wasserspülung braucht man gar nicht erst zu denken. Und ansonsten gibt es viel freie Natur für diese Bedürfnisse.
So, dann wäre da natürlich noch das Schlafzimmer. Die ganz Kleinen schlafen meist zusammen mit der Mutter in deren Bett. Die „größeren Kleinen“ haben oftmals eine einfache, alte Matratze zum Schlafen. Da die Häuser in aller Regel sehr klein sind, klappt man diese tagsüber an die Wand oder legt es zum Trocknen draussen in die Sonne. Windeln kann sich nicht jede Familie leisten…
Wir haben auch viele Fälle gehabt, wo die Kinder nur mit einem Stück Pappe auf dem harten Boden geschlafen haben. Die meisten dieser Fälle haben wir aber schon verbessert indem wir aus allgemeinen Spenden an den Verein ein Bett gekauft haben.
Warum leben diese Familien denn nicht in der Stadt, wo es viel mehr Möglichkeiten und Komfort gibt? Das haben wir viele dieser Familien gefragt und die Antwort ist meist in etwa: „In der Stadt würde ich mich nicht wohlfühlen, da ist alles so eng und hier auf dem Land hat man so viel weite Natur und Freiheit.„
Wenn man selbst so aufgewachsen ist und es praktisch nicht anders kennt, wenn in der Kindheit alles schon immer so und nicht anders war, warum soll man dann nach „mehr und besserem“ streben. Lieber arrangiert man sich in seiner kleinen Welt.
Rette ein Kinderleben e.V. versucht nicht zuletzt auch diese Kinder durch neue Anreize „aufzuwecken“. Gerade in den letzten Wochen haben wir dazu Aktionen durchgeführt, die den Kindern „eine andere Welt“ zeigen soll. Eine Welt, an der man teilhaben kann, wenn man eine gute Arbeit hat und Geld verdient. Und das kann man tatsächlich selbt erreichen, wenn man denn will: Durch gute Noten in der Schule. Wir versuchen die Kinder zu guten und besseren Leistungen zu bringen. Einfach nur die Spende vom Paten annehmen als sei es ein Geschenk, das gibt es bei Rette ein Kinderleben e.V. nicht.
Die Kinder werden gefördert, aber auch gefordert! Das ist für einige zunächst ungewohnt, funktioniert dann aber bei den meisten sehr gut.
Aber nichts geht ohne Ihre Hilfe! All dies geschieht nur dank Ihrer Spenden.
Durch eine Patenschaft geben Sie einem Kind seine individuelle Chance auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut.
Danke!
2 Antworten
Die meisten Folgen von Verrückt nach Meer kann man sich weiterhin online ansehen . Ich habe Folge 389 gestern erst gesehen.
Viele Grüße
Danke für den Hinweis. Das war damals, nach 12 Monaten, entfernt worden und nun ist es wieder da 🙂 Sehr schön.
Was hatten wir nicht alles wochenlang vorbereitet für den Besuch des Filmteams… Die Produnktionsfirma wusste natürlich, dass wir das Patenkind aus dem 1 Tagesreise entfernten Sítio bei Jatiúca bringen würden. Für das Mädchen natürlich etwas ganz besonderes, denn sie war dann, zusammen mit der betreuenden Mitarbeiterin, im Kleinbus zusammen mit Patin und Filmteam nach Maceió gefahren wo die Patin auf das Schiff zurück ging. Da war wohl eine tolle Stimmung und es wurde viel gesungen.
Am nächsten Tag haben wir dem Mädchen (und Ihrer Mutter und unserer Mitarbeiterin) noch einen schönen Tag am Strand organisiert, denn sie alle waren ja noch niemals zuvor am Meer.
Wir hatten natürlich gehofft, dass sich nun die eine oder andere Patenschaft aus dieser Sendung ergeben würde, aber leider war die Reaktion absolut Null. Keine einzige Rückmeldung. Zumindest hatte später dann die Aufnahmeleiterin, die mit vor Ort war, die Patenschaft des kleinen Jungen übernommen.