Explosion, Katze, Hochzeit, Zeppelin und viel Hitze

Der 1. Vorsitzende von Rette ein Kinderleben e.V. reist nur noch 1 Mal pro Jahr nach Brasilien, um Kosten einzusparen. Dabei besucht er alle Heime, organisiert vor Ort Dinge, die man am Besten persönlich bespricht und bringt dann auf dem Rückflug die Weihnachtskarten aller Kinder mit. Hier sein Reisebericht:

Heiß war es. Aber das ist es ja immer. Anfang November ist ja eigentlich noch Frühling vor Ort aber so nah am Äquator merkt man kaum einen Unterschied. Jahreszeiten wie bei uns kennt man dort nicht. Es ist einfach IMMER heiß. Was ich lustig fand: Die Wand hinter dem Bett im Hotel war ebenfalls warm. Da scheint wohl Nachmittags lange die Sonne drauf und selbst nach einigen Stunden Dunkelheit spürt man diese Hitze noch. Wenn man morgens in den vor dem Hotel geparkten Mietwagen steigt zeigt das Thermometer gerne mal 42° an und es ist nicht ganz einfach dass Lenkrad anzufassen. Nach ein paar km Fahrt hat die Klimaanlage das dann auf ein „normales“ Niveau gesekt und dann machen die deutlich über 30° draußen nichts mehr aus.

In Serra Talhada gibt es seit wenigen Wochen endlich ein IBIS Hotel. Direkt neben dem „Shopping Center“. Daran hatte man 4-5 Jahre gebaut bzw. eben nicht… Es ist außen Schwarz/Rot/Gelb verkleidet.

Hotel IBIS in Serra Talhada

Das Hotel ist zwar 35-55km von unseren 5 Heimen im Hinterland entfernt aber den Weg nehme ich gerne auf mich, um diesen europäischen Komfort zu haben. R$196 war dort der Preis für eine Nacht. Umgerechnet etwa 32€. Die letzten 21 Jahre schlief ich in verschiedenen Pousadas und Hotels in Triunfo. Die sind aber relativ teuer denn man denkt dort man wäre eine Touristenhochburg, nur weil es dort in 1000m Höhe etwa 6-7° kühler ist. Der höchstgelegene Ort im Bundesstaat Pernambuco. Aber dass die Hotels da teurer sind als in der Bundeshauptstadt Recife am Strand fand ich nie angemessen.

Und wie immer um diese Jahreszeit beherrscht ein Thema alles: Black Friday… Ja, den hat man sich, wie so vieles anderes, aus den USA importiert und man kann kaum 3 Schritte gehen ohne daran erinnern zu werden, wieviel man doch sparen kann. Gerne auch lautstark von diesen ganzen „Lautsprecherwagen“. Da haben sich einige eine ganze Armada von Lautsprechern auf das Dach ihres Autos geschraubt und verbreiten so das, wofür man sie mietet.

Im Heim 127 angekommen (Sonntags) waren einige interne Kinder die sich riesig gefreut haben dass ich endlich mal wieder da bin. Schon wenn ich mit dem Auto vor dem großen Tor stehe hört man die Kinder rufen „Tio Halfe“…“Tio Halfe“… Tio bedeutet Onkel und „Halfe“ klingt es, wenn ein Brasilianer Ralf ausspricht, denn mit dem R am Wortanfang ist das so eine Sache. Und da man in Brasilien ein Wort ja schlecht mit einem Konsonanten enden lassen kann wird immer ein Vokal am Ende angehängt. Meist E oder I.
Und wie ist das mit „Brasil“? Dem Namen des eigenen Landes? Lustigerweise funktioniert das da mit dem „r“ ganz wunderbar. Nur eben am Wortanfang geht es nicht… Und das „l“ am Ende von Brasil? Das wird zum „u“. Sehr oft ersetzt man ein „L“ durch ein „U“. Also praktisch „Brasiu“. OK, genug Português…

Umringt von Kindern

Tio Ralf hat natürlich, wie jedes Mal, Geschenke mitgebracht. Aber die gibt es nicht sofort alle auf einmal sondern „dosiert“ über mehrere Tage. Diesmal gab es: eine Kinder Digitalkamera, ein Set aus 3 Kinder Walkie Talkies, ein neues Klett/Wurfspiel, eine deutlich bessere Seifenblasenmaschine (als im letzten Jahr) und „Pulseiras“. Was das ist erkläre ich später.

Es gibt natürlich immer viel zu erzählen und viele Fragen. Natürlich alle zur gleichen Zeit und so schnell gesprochen, dass ich da natürlich nicht immer mitkomme. Die Mitarbeiterinnen müssen das manchmal bremsen.

Dieses Mädchen durfte zuerst mit der kleinen Kamera spielen. 3 Megapixel und man braucht viel Licht. Stand der Technik von vor 20 Jahren… Aber so nach und nach haben alle Kinder damit Fotos auf die darin steckende 32GByte SD Karte gespeichert.

Nicht zuletzt weil eine Kinderbetreuerin wegen der bevorstehenden Geburt ihres ersten Kindes mehrere Monate ausfällt gab es diverses zu organisieren. Dazu ein paar Online-Einkäufe (Ja, es gibt Amazon auch in Brasilien…) und einige Sicherheits-Updates auf unseren Synology NAS Systemen in mehreren Heimen. Das konnte ich von dort aus anstoßen. Es gab jeden Tag einiges zu erledigen.

Wechseln wir den Ort des Geschehens und blicken in das Heim 125 in Princesa Isabel im benachbarten Bundesstaat Paraíba. Auch hier ist es nicht viel anders. Die Kinder freuen sich über die mitgebrachten Geschenke (die ich übrigens selbst bezahle) und darüber dass ich mit ihnen spiele und erzähle.

Kinder im Heim 125

Hier sind wir beim Mittagessen. Die Kinder haben bereits gelernt, dass man sich den Teller nicht übervoll auflädt sondern bei Bedarf ein zweites oder gar drittes mal zum Buffet geht:

Mittagessen im Heim 125

Natürlich lernen die Kinder bei uns auch, dass man sein Geschirr nach dem Essen selbst abwäscht:

Ja und dann gab es da in Princesa Isabel am Abend noch etwas ganz besonderes: Casamento Comunitario
Das muss man sich so vorstellen: An dem Abend haben 79 Paare geheiratet. Gleichzeitig. Alle auf demselben Fest, welches von der Stadt finanziert wurde. MIt dabei auch unsere Gabi, die Heimleiterin des Heimes 128 im nahen Manaíra.
Die Paare hatten also praktisch keine Kosten. Es gab zu Essen und zu Trinken, Musik und Ansprachen und viele Fotos. Zwischendurch wurden von allen Paaren gemeinsam die Ringe ausgetauscht und dann wurde jedes Paar einzeln aufgerufen um nach vorne an den Tisch zu kommen, wo die offiziellen Dokumente unter den Augen der anwesenden Standesbeamten unterschrieben wurden.

Da hatte ich Glück, denn Gabi hatte eines dieser weißen Klebe-Armbändchen für mich übrig. Sowas wie eine „Eintrittskarte“. Es gab 6 pro Hochzeitspaar.
So durfte ich mal eine solche Gemeinschaftshochzeit in Brasilien erleben! Hat man ja auch nicht jeden Tag… Im Laufe des Abends hielt natürlich auch der Bürgermeister eine Rede. Anschließend kam ich mit ihm etwas ins Gespräch und er lud mich für den folgenden Tag in sein Büro ein. Wir unterhielten uns über eine halbe Stunde über Bildung und Entwicklung und er schenkte mir am Ende ein Buch über die Geschichte von Princesa Isabel, welches er natürlich auch noch mit einer Widmung versah. Links im Bild die gerade verheiratete Gabi und rechts Aparecida, die 1. Vorsitzende unserer Tochterorganisation SimJa-PI und Leiterin des Heimes 125. Gabi hatte leider eine Stunde später auf der Heimfahrt mit ihrem Motorrad (mit frischgebackenem Ehemann hinten mit drauf…) einen Unfall und schürfte sich Arme und Beine auf als sie plötzlich einem Hund ausweichen musste…

Bürgermeister Princesa Isabel

Im Heim 126 in Triunfo-PE konnte ich mich kurz ausruhen, während die Mädchen das Paket mit den „Pulseiras“ geöffnet haben:

Heim 126

Im Heim 101 im selben Ort gab es nicht viel zu tun. 3 Sicherheitskameras waren irgendwann durchgebrannt und die „Waschmaschine“ (ohne Schleudern…) ebenfalls. Die Spannung von 220V schwankt dort so extrem, dass ich schonmal 170V gemessen habe. Nach oben hin ähnlich und dann macht es „buff“…

So habe ich einige Tage dort im Hinterland verbracht und dabei auch ein neues Notebook für das Heim 128 installiert und den bisherigen Computer von dort, ebenfalls nach einer neuen Installation, als 2. Computer für die Assistentinnen im Heim 125 aufgestellt. Ich war mit Sra. Eliane Cristina von Santa Cruz da Baixa Verde nach Manaíra gefahren. Sie ist die 1. Vorsitzende von SimJa-SC, unserer 2. Tochterorganisation und natürlich die Heimleiterin im Haus 127. Da Gabi nach dem Sturz nun einige Tage ausgefallen war trafen wir uns in Manaíra mit Sra. Aparecida, die uns die Schlüssel brachte.

Das Heim 128 ist ein angemietetes Haus von dem aus rund 70 externe Kinder und Familien in der Umgebung versorgt werden:

Und auf der Rückfahrt über diese unbefestigte Piste war plötzlich der Weg blockiert… Ein leerer Bus stand quer. Was dann folgte nennt man seit dem Film Das 5. Element „Big Bada Boom“ . Eine riesige Explosion sprengte einen nötigen Durchlass in den Felsen, denn man baut endlich diese uralte ZickZackSchlaglochpiste zu einer Straße aus…

In Araçoiaba, wo Sra. Geovana im Heim 112 die Stellung hält und über 90 Familien betreut, war ich sogar 2 Mal in 3 Wochen. Einmal haben wir mehrere Familien besucht und beim 2. Mal haben wir ihr ein kleines Kätzchen vorbei gebracht, welches in unserer Zentrale „zuviel“ war.

Mitten durch das „Invasionsgebiet“, wo sich arme Fmilien einfach jeweils ein Stück Land genommen haben, wird nun eine Straße gebaut. Da die Leute dort so gut wie keine Autos haben liegt der Grund dafür an anderer Stelle: Die Stadtverwaltung hat in der Nähe ein offizielles Gebäude und ist es wohl leid, durch den ganzen Dreck zu fahren. Nicht selten hat man dort eine große Horde von Schweinen auf diesem Weg, die im Müll nach essbarem suchen. Bei Regen weicht das alles gewaltig auf und wird zu einer riesigen Matschfläche…

Neue Straße in Araçoiaba

Im Heim 122 in Jaqueira gab es für mich nicht viel zu tun. Alles läuft perfekt und es gab absolut nichts zu bemängeln. Daher dort nur ein kurzer Zwischenstopp.

Heim 122

Ein weiter Weg ist es jedes Mal zu unserem einzigen verbliebenen Heim (102) im Bundesstaat Alagoas. Dort hält Sra. Elizabete die Stellung. Ihre Schwester war gerade zu Besuch. Vor einigen Jahren war sie auch noch unsere Mitarbeiterin.

Heim 102

Und auch hier habe ich den kleinen Mädchen, die gerade zum Nachhilfeunterricht im Heim waren, „Pulseiras“ geschenkt:

Pulseiras

Pulseiras sind also solche bunten Armbändchen, die man sich selbst aus hunderten bunten Einzelteilen zusammenbastelt. Da haben die Mädchen einen riesen Spaß.

Eines der Mädchen fiel mir aber gleich auf, denn sie hatte einige Schwierigkeiten mit ihrer Brille. Die war gebrochen und notdürftig geklebt:

kaputte Brille

Damit kann man natürlich kaum richtig sehen. Also habe ich die Heimleiterin gebeten mit dem Mädchen zum „Oftamologista“ (Augenarzt) zu gehen um zunächst die Sehstärke neu bestimmen zu lassen (kostet rund 65€) um dann in einem „Ótica“ Laden eine neue Brille zu bestellen. (Optikläden dürfen in Brasilien keine Sehtests durchführen). Das weiß ich so genau, weil ich mir (natürlich auf eigene Kosten) im „Shopping Guararapes“ eine Brille zum Autofahren habe machen lassen. War innerhalb von 10 Tagen fertig. Mit Zeiss Gläsern.

Nicht zuletzt für solche unplanmäßigen Dinge wie diese kaputte Brille haben wir unsere „Gesundheitskasse„, die zum Glück immer wieder einmal durch allgemeine Spenden an den Verein aufgefüllt wird. Medikamente, Arztbesuche beim Spezialisten und eben Augenuntersuchungen bezahlen wir u.a. daraus.

Ganz zum Schluß meiner Tour gab es für mich persönlich dann noch ein Highlight. Seit über 20 Jahren sehe ich jedes Mal im Landeanflug auf Recife diesen ganz besonderen, historischen Ort. Nie hatte ich die Zeit gefunden dorthin zu fahren. Aber jetzt musste es endlich einmal sein!
Dies ist ein bald 100 Jahre alter, original erhalten gebliebener Zeppelin Ankermast. Daran haben damals in den 30er Jahren die großen deutschen Luftschiffe Hindenburg (4 Mal) und Graf Zeppelin (5 Mal) geankert. Der obere, runde Teil war beweglich und konnte hoch und runter gekurbelt werden um die richtige Höhe zu erhalten. (Heute leider festgeschweißt).
Und da dies Brasilien ist und nicht Deutschland und es daher weder Warnschilder noch einen Zaun gab bin ich natürlich auch da hoch geklettert. Zumindest bis zur 1. Plattform. Dann hat mich der Mut verlassen…

Zeppelinturm Recife

Das waren einige wenige Eindrücke aus den 3 Wochen, die ich im November 2024 im Nordosten von Brasiliens verbracht habe.

Ich wünsche Ihnen allen ein Frohes Fest und ein glückliches neues Jahr. Bleiben Sie gesund!

Ralf Fitzner – 1. Vorsitzender von Rette ein Kinderleben e.V.

Eine Antwort

  1. Lieber Herr Fitzner,
    vielen Dank für die interessante Reisebeschreibung und die Bilder. Die Berichte in Ihrer Rubrik „Neues“ vermitteln einen einzigartigen Einblick in das Leben unserer Patenkinder und der Verhältnisse vor Ort, von denen wir sonst nichts erfahren würden. Es ist auch schön, zu sehen, was unsere Hilfe bewirkt und wie glücklich die Kinder durch dieses Engagement sind. Seit vielen Jahren begleiten wir Ihren Verein nun schon mit dem dritten Patenkind und freuen uns über die Fortschritten, die wir sehen.
    Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz und wünschen Ihnen ebenfalls ein frohes Fest, Gesundheit und ein glückliches neues Jahr!

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