Morde und schlimmeres

Mit den Brasilianischen Zeitungen ist das so eine Sache. Dort werden Dinge berichtet und gezeigt, die bei uns eher undenkbar wären. Gerade aktuell im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz z.B. alle Namen und Fotos und viel persönliches über die Opfer.

Schon vor Jahrzehnten hieß es bei uns ja auch: „BILD sprach zuerst mit der Leiche“. Aber das ist wirklich gar nichts gegen das, was man in Brasilien zu lesen bekommt..

Gerade heute wurde auch berichtet, dass in Brasilien in den letzten 3 Jahren 15.000 Kinder und Jugendliche ermordet wurden. Davon rund 83% Schwarze. Die Polizei hat davon rund 16,5% zu verantworten.
Solche Informationen sind schockierend und sehr direkt. Im Internet gibt es diverse Webseiten, die solche Hinrichtungen unter Jugendlichen zeigen. Nicht selten hat es im weitesten Sinne mit Drogen zu tun aber manchmal erschießen 3-4 Mädchen auch mal ein anderes, welches irgendetwas gemacht hat, was diesen nicht gefiel. Die Schwelle ermordet zu werden ist in Brasilien grundsätzlich sehr, sehr niedrig.

Auch bei den vielen Überfällen (bei Dunkelheit NIEMALS auf die Straße gehen) kommt es oft vor, dass erst geschossen wird und dann geht es dann um das ausrauben. Busse werden manchmal an der Ampel von mehreren bewaffneten Gangstern gestürmt oder auch mal der größere Supermarkt.
Und am Strand von Recife wird mit tödlicher Regelmäßigkeit jemand vom Hai getötet, der nur bis zu den Waden im Wasser war…
Zeitungen wie z.B. die „Folha“ (Blatt), die es in diversen Lokalausgaben gibt, sollte man beim Lesen nicht zur Seite neigen, sonst läuft das Blut heraus… So sagt man. Etwas seriöser ist G1 von Globo, dem größten Fernsehsender.

Eine andere Meldung von heute besagt, dass es derzeit Kälterekorde im Land gibt. So kalt war es in vielen Gegenden wohl noch nie zuvor. In Rio de Janeiro Nachts um die 8° und viele Orte weiter südlich sogar unter Null. Heute Mittag hatte es Rio dann aber doch wieder auf 20° gebracht…

Ganz im Süden hatte es so starke Überschwemmungen gegeben, dass der Flughafen von Porto Alegre abgesoffen war. Besser kann man es wirklich nicht formulieren. FRAPORT, die deutsche Muttergesellschaft die auch im Ausland mehrere Flughäfen betreibt, bemüht sich seit inzwischen Monaten die Start- und Landebahn wieder zu reparieren um den Flugverkehr wieder aufzunehmen.

Flughafen Porto Alegre

Rette ein Kinderleben e.V. hatte sich ja zum Ende des letzten Jahres aus mehreren Gründen aus den Großstädten an der Küste zurückgezogen. Die Gewalt in den dortigen Favelas war ein wichtiger Grund.

Im „Hinterland“, Hunderte km landeinwärts, da ist die Welt eine ganz andere. Die Gewalt ist dort weniger Brutal in der Öffentlichkeit. Hinter den Wohnungstüren gibt es aber in so manchen Fällen Dinge, die wir uns lieber nicht vorstellen möchten.

Die Situation beginnt oft damit, dass Mädchen sehr früh schwanger werden. 12…13…14 Jahre ist noch nichtmal die exotische Ausnahme. Sobald die Natur es möglich macht „passiert sowas“. Natürlich ist die „große Liebe“ blitzschnell verschwunden und dann hat das Mädchen ein Kind. Oftmals wird dieses zur (dann) Großmutter abgeschoben. So kann man sich leichter in die nächste Affäre stürzen und so ist es wirklich keine Seltenheit wenn man 17 Jährige Mädchen mit 2 Kindern antrifft. Die Chance nun noch ein „gutes“ Leben zu führen hängt einzig und allein an einer festen Partnerschaft mit einem Mann, der Geld verdient. Die Frau ist vollkommen abhängig von solch einem Mann und muss sehen, dass sie diesen nicht verliert, denn damit würde sie ihr Essen und meist auch Ihre Wohnung verlieren.
Egal was der Mann will: Tür zu und Mund halten. Wenn man dem Kind dann noch entsprechend droht in der Art „Wenn du etwas davon erzählst, dann töte ich deine Mutter“, dann ist das Drama komplett.

Auffällig viele Kinder im Hinterland leiden an Depressionen. Es gibt aber kaum Hilfe für Sie. Was nun genau der Auslöser war kann man nur vermuten. In den seltensten Fällen schafft es eine unserer Heimleiterinnen in vielen Gesprächen „einen Draht“ zu einem solchen Kind zu bekommen. Dann gibt es aber nicht selten schockierende Informationen. Im Heim 127 hatten wir längere Zeit ein mental „einfach gestricktes“ 13 jähriges Mädchen mit ihrem Baby. Sie war zu Hause im Sítio von Ihrem Bruder vergewaltigt worden. Mehrfach.

 

Versammlung der Jugendlichen
Dieses Bild ist von 2022. Inzwischen teilen wir die Jugendlichen in kleinere Gruppen von höchstens 8 auf um diese direkter ansprechen zu können.

Regelmäßig kommen alle externen Patenkinder, also diejenigen, die im Rahmen ihrer eigenen Familie leben, ins Heim zu Versammlungen. Es werden von unseren Mitarbeiterinnen diverse Themen erörtert. Natürlich geht es auch um Sex und Kinder bekommen. Manche Eltern mögen das nicht so gerne, denn IHR Kind tut „sowas“ doch nicht und wir könnten es dazu anstiften… Wenn man dann die Mütter fragt, mit wievielen Jahren sie ihr erstes Kind bekommen haben schweigen sie meist verdutzt.

Rette ein Kinderleben e.V. versucht den Jugendlichen aufzuzeigen, dass es mehr Sinn macht erstmal die eigene Schulbildung abzuschließen und erst danach einen Gedanken an Nachwuchs aufkommen zu lassen.

Wenn ein Mädchen einen guten Schulabschluß zustande bringt dann, und nur dann, wird sie die Möglichkeit haben eine relativ gut bezahlte Arbeit zu finden.
Die „große Masse“ ist schlecht gebildet und hat nur Chancen auf Hilfsjobs oder eben das beschriebene „Klammern“ an einen Ernährer. 
Eigenes Geld bedeutet eben auch Unabhängigkeit. 

Natürlich ist es extrem mühsam Jugendlichen begreiflich zu machen, dass genau jetzt der Zeitpunkt ist, an dem die Weichen für das spätere Leben gestellt werden. In dem Alter hat man so viele andere Dinge im Kopf die wichtig erscheinen und Schule rangiert nicht unter den vorderen Plätzen. Aber wir geben nicht auf. Jedes einzelne Kind, das wir „gerettet“ haben ist all die Mühe wert!

Und plötzlich hat man in jungen Jahren 3 Kinder. Diese Familie wohnt unter dem oben gezeigten Dach in einem uralten Haus. Möbel fehlen, ein richtiges Bett gibt es nicht, einen Kleiderschrank sowieso nicht.

Aber dieses eine Kind hat riesiges Glück, denn es hat einen Paten. Dieser begleitet dieses Kind nun über die nächsten Jahre und hilft durch seine Spenden dabei, dass es ordentlich angezogen und ohne Hunger zur Schule gehen kann.
Unsere Heimleiterin vor Ort wird sich regelmäßig mit der Famlie treffen und später wird auch dieses Mädchen an den Versammlungen der Jugendlichen teilnehmen. Sollte es in der Schule Schwierigkeiten geben, so bieten wir in jedem Heim mehrmals in der Woche Nachhilfe an.

São João
Das Jahr geht so schnell vorbei... Neulich war schon wieder das Fest "São João". Hier im Heim 125.
Heim 127: Betreuerin Josicleia freut sich über die neue 15Kg Waschmaschine die im Gegensatz zur bisherigen kleineren Maschine auch Schleudern kann.
Kanalisation
Ein Wunder geschieht gerade in Araçoiaba: Es wird eine Kanalisation verlegt.

Bislang war es so, dass die Abwässer aus Küche und Toilette offen über die Straße liefen. Eine Brutstätte für Krankheiten und insbesondere Moskitos. Brasilien hat gerade eine enorme Ausbreitung vom Dengue Fieber und an einem anderen, neuen Virus sind letzte Woche die ersten 2 Frauen im Bundesstaat Bahia gestorben. Vor wenigen Jahren erst war das Zika Virus überall präsent.

Straße vor dem Heim 112

Und hier das 2. Wunder aus Araçoiaba: Vor unserem Heim 112 wird die Straße befestigt.
Eigentlich gibt es diese Straße gar nicht. Die ist in keinem Stadtplan verzeichnet, denn es war nur ein „plattgetretener“ Teil der Felder rechts. Das ganze Gelände gehört auch noch dem Militär. Entsprechend war es der Stadt jahrzehntelang nicht möglich dort die Situation zu verbessern. Offensichtlich gibt es nun einen Bürgermeister, der die Dinge einfach in die Hand nimmt und Fakten schafft.

Casa de Taipa
Hoffentlich wird auch dieses Patenkind später aufgrund guten schulischer Leistungen aus dieser Armut ausbrechen können...

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